Rückruf der ASR™ Prothese von DePuy

Der Rückruf des ASR-Hüftprothesenmodells von DePuy kam mit fünfjähriger Verspätung. Für viele Patienten, die zwischen 2005, dem Bekanntwerden der ersten Warnmeldungen, und 2010, dem freiwilligen offiziellen Rückruf von DePuy, noch eine ASR-Prothese implantiert bekommen haben, viel zu spät. Die ersten Meldungen über erhöhte Versagensraten bei der ASR-Hüftprothese trafen aus Australien bei DePuy ein. Dort gibt es, im Gegensatz zu Deutschland und Europa, ein unabhängiges zentrales Prothesenregister. Berichtet wurde von einer zu hohen Versagensrate des Prothesenmodells und gesundheitlichen Schäden bei Patienten. Doch 2005 gab DePuy die Parole aus, die „Bedenken im Keim zu ersticken„. Für Patienten mit einer ASR-Prothese, die vom Rückruf betroffen sind, hat die TK eine Hotline eingerichtet.

Betroffene Prothese

Am 30 August schreibt DePuy in seinem Rückruf an die „lieben Kunden“, dass folgende Prothesen(teile) von der Rückruf-Aktion betroffen sind:

  • DePuy ASR™ Hüftoberflächenersatzsystem
  • ASR™ XL Acetabulumsystem
  • Art der Massnahme: Rücknahme der Implantate vom Markt (Rückruf)
  • FSCA-Bezeichnung: DINT 12725
  • Modellnummer: Alle Implantatkomponenten der ASR™ Plattform
  • Chargen- / Lotnummer der betroffenen Implantate: Alle Chargen

In dem von DePuy an die Ärzte verschickte Schreiben wird der Eindruck erweckt, dass erste neue Daten aus 2010, die DePuy zugänglich gemacht worden seien, zum Rückruf geführt hätten. Dass bereits seit über fünf Jahren eindeutige Hinweise vorliegen, wird ignoriert.

DePuy hat vor kurzem neue, bisher unveröffentlichte Daten aus dem Jahr 2010 vom
Endoprothesenregister für England und Wales (NJR) erhalten. Aus diesen Daten geht eine 5-JahresRevisionsrate für das ASR™ Hüftoberflächenersatzsystem von ca. 12 % bzw. ca. 13 % für das ASR™ XL Acetabulumsystem hervor. Diese Revisionsraten gelten für die gesamte Grössenpalette, und das Revisionsrisiko war bei ASR Kopfgrössen mit einem Durchmesser von weniger als 50 mm und bei weiblichen Patienten am höchsten.

Offizieller Rückruf mit 5 Jahren Verspätung

Mit Datum 9. September 2010 hat die Firma DePuy alle ASR Hüftprothesen Systeme zurück gerufen. Denn mehr Patienten als normal mussten sich einer Revisions-Operation unterziehen. Fünf Jahre nach der Erst-Operation waren bereits über 13% der Patienten, welche einen ASR Oberflächenersatz erhalten hatten, betroffen. Normal ist eine Versagensrate bei Hüftprothesen von ca. ca. 5 %.

Begründet wird der Rückruf von DePuy in einem Schreiben an die Ärzte mit neuen Daten, die DePuy angeblich erst 2010 vom
Endoprothesenregister für England und Wales (NJR) zur Verfügung gestellt worden war.

Da diese neuen NJR-Daten eine höhere Revisionsrate nach fünf Jahren zeigen als erwartet,
veranlasst DePuy einen freiwilligen Rückruf aller ASR™ Produkte.

„Freiwilliger“ Rückruf

DePuy Orthopaedics hat nun, freiwillig wie von Seiten der Firma betont wird, sein ASR™ XL Acetabular System und das DePuy ASR™ Hip Resurfacing System vom Markt genommen. Doch von „Freiwilligkeit“ kann keine Rede sein. Denn trotz eindeutiger Hinweise auf die Fehlerhaftigkeit der ASR-Prothese beschloss die Firmenleitung, das Modell weiter auf dem Markt zu lassen und somit in Kauf zu nehmen, dass tausende Patienten das gesundheitsschädigende Modell implantiert bekamen.

Zur Betreuung der betroffenen Patienten hat DePuy nun eine zentrale Anlaufstelle zur Beantwortung der Anfragen eingerichtet. Auch entstehende Kosten sollen den Patienten schnell und unbürokratisch ersetzt werden. Zumindest bemüht sich DePuy den Anschein zu erwecken, dass betroffene Patienten entschädigt werden. Es wird sich zeigen, ob das tatsächlich der Fall sein wird.

1 Kommentar
  1. Implantat-Experte
    Implantat-Experte sagte:

    Mit ein wenig Grundkenntnissen in Tribologie hätte diese ungeschützte Metall-Metall-Paarung nie und nimmer in den Handel gelangen dürfen. Das Desaster war vorherzusehen. Schlimmer noch: mit einfachen Prüf-Methoden wäre es vorhersagbar gewesen. Und das Schlimmste: es gibt seit langem Obeflächenbeschichtungen, mit denen man dieses Problem für wenig Geld hätte gänzlich vermeiden können. Für Allergie-Patienten gibt es diese Beschichtungen schon seit langem zur Vermeidung des CoCrMo-Abriebes (z.B. Titan-Niob-Keramikoberflächen). Der meines Wissens einzige amerikanische Implantat-Hersteller, der solche Beschichtungen in großem Umfang auch aktiv nutzt, ist Stryker. Der Rest, mit vielleicht noch Zimmer als kleiner Ausnahme, hält Allergien wohl ohnehin nur für eine typisch deutsche Erfindung und Einbildung. Entsprechend gruselig scheinen die hausinternen Kenntnisse über Oberflächen-Tribologie. Vielleicht werden sie durch diese Katastrophe endlich wachgerüttelt.

    So ist die Welt: man kauft mit geballtem Hintergrundwissen nur ganz bestimmte Automarken, aber als ich mal meinen Physikprofessor fragte, welches Zahnimplantat-System er sich gerade hat einsetzen lassen, hat er mich nur dumm angeguckt.

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