Ungerechtes Schmerzensgeld

Die Höhe von Schmerzensgeld in Deutschland bei Verfahren gegen Medizinproduktehersteller ist ungerecht. Die Gerichte orientieren sich auch bei Schadensfällen durch fehlerhafte Implantate an Schmerzensgeldverfahren, bei denen keine bleibende Gesundheitsschäden zurück bleiben. Doch wer eine fehlerhafte Hüftprothese eingebaut bekommt, leidet den Rest seines Lebens unter den gesundheitlichen Folgen. Seine Lebensqualität ist dauerhaft eingeschränkt.Und es besteht keine Hoffnung auf Besserung.

Die fehlerhafte Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese von Zimmer Biomet

Die Durom-Hüftprothese wurde allein in Freiburg mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten implantiert. Diese schlossen sich in der Durom-Selbsthilfegruppe zusammen. Gemeinsam kämpften sie um Recht und Gerechtigkeit. Nach 12 Jahren, in denen sie von den Anwälten des Herstellers unter Druck gesetzt wurden, gelang der Durchbruch: Der Bundesgerichtshof bestätigte das für Zimmer Biomet vernichtende Urteil des OLG Karlsruhe.

Durom-Prothese ist fehlerhaft

Der BGH hat die Auffassung des OLG Karlsruhe bestätigt. Patienten mit einer Durom-Hüftprothese haben Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen den Hersteller. Dies ergibt sich aus §§ 1 Abs. 1 S. 1, 8 ProdhaftG. Danach ist der Hersteller der Durom-Hüftprothese zur Wiedergutmachung des Verursachten Schadens verpflichtet, weil er ein fehlerhaftes Produkt auf den Markt gebracht hat. Doch die geschädigte Gesundheit kann nicht wieder hergestellt werden.

Das Gericht stellt in seiner Begründung fest,dass

  • dem Hersteller der Fehler bekannt war oder hätte bekannt sein müssen.
  • notwendige und vorgeschriebene Tests vor Inverkehrbringen der Prothese nicht durchgeführt wurden
  • das Produkt nicht hätte in Verkehr gebracht werden dürfen.

In der Begründung des OLG steht weiter, dass nach Abwägung aller Umstände

… das von den Beklagten hergestellte Prothesensystem fehlerhaft (war), denn es kam in der Konussteckverbindung zu einem nicht unerheblichen Metallabrieb, der gesundheitlich bedenklich ist.

Und weiter:

Für die schlüssige Darlegung eines Fehlers einer Hüftprothese durch Metallabrieb genügt daher grundsätzlich [Staudinger/Oechsler (2018) Aktualisierung vom 28.92.2020 ProdhaftG § 1, Rn. 160.2, mit Hinweis auf BGH], dass nach der Implantation im Blut des Patienten erhöhte Chrom- und Cobaltwerte gemessen werden und der Hersteller die Prothese nicht vor dem Inverkehrbringen auf die Gefahr eines Metallabriebs getestet hatte (BGH, Urteil vom 16.04.2019 – VI ZR 157/18-, VersR 2019, 1105 Rn. 13 ff).

Und weiter:

Danach ist mit der erforderlichen Sicherheit erwiesen, dass der Metallabrieb an der von den Beklagten hergestellten und importierten Prothese zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers geführt hat (Urteil 14 U 171/18, S. 38).

Und weiter

Die Haftung ist auch nicht nach $ 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdhaftG ausgeschlossen. Die Beklagten haben nicht bewiesen, dass der Produktfehler im Zeitpunkt der Inverkehrgabe im Jahr 2005 nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkennbar war  (Urteil 14 U 171/18, S. 43). Im Jahr 2005 war seit langem bekannt, dass aus modularen Steckverbindungen wegen Korrosions- und Verschleißprozessen Metallpartikel und/oder -ionen austreten können und dies zur gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann (Urteil 14 U 171/18, S. 45).

Zulassungsverfahren bietet keine Sicherheit

Wenn Ersatzteile in den Körper implantiert werden, muss der Patient in ganz besonderem Maß auf die Sicherheit des Produkts vertrauen können. Das setzt eine besondere Sorgfaltspflicht des Herstellers voraus. Doch aus wirtschaftlichen Erwägungen werden häufig wie im Fall der Durom-Hüftprothese Zulassungsverfahren abgekürzt und Vorschriften umgangen. Denn Hersteller können behaupten, dass die „neue“ Prothese in wesentlichen Teilen einem bereits auf dem Markt befindlichen Produkt entspricht (Äquivalenzprinzip).

Äquivalenzprinzip

Unter „Äquivalenz“ versteht man die Gleichwertigkeit zweier Dinge oder Begriffe. Logisch drückt Äquivalenz die Gleichwertigkeit des Wahrheitsgehaltes oder der Bedeutung zweier Aussagen aus.

Mit Berufung auf die „Äquivalenz“ eines Produkts können Hersteller ihre Produkte auch ohne die notwendigen Tests auf den Markt bringen. Sie behaupten einfach, dass das neue Produkt einem, bereits auf dem Markt befindlichen Produkt entspricht. Zeitaufwändige und teure klinische Test können so umgangen werden. Doch wer prüft, ob die behauptete Äquivalenz tatsächlich vorliegt?

Ohne Schuld lebenslang behindert

Zu physischen Problemen wie Bewegungseinschränkungen und Schmerzen kommen psychische Belastungen wie Angst vor einer Re-Operation und deren Folgen, Depressionen wegen der Aussichtslosigkeit jemals wieder gesund werden zu kennen und Wut wegen der erlittenen Ungerechtigkeit als Versuchskaninchen missbraucht worden zu sein.

Opfer von Medizinprodukten und Schmerzensgeldtabellen

Menschen, denen ohne eigene Schuld, oft vorsätzlich und aus niederen Beweggründen, Schaden an Leib und Leben zugefügt wird, erhalten in Deutschland nur geringe Schmerzensgeldzahlungen zuerkannt. Schuld ist die Praxis der Gerichte, sich an Listen wie der Haks-Liste, der DAWR-Schmerzensgeldtabelle, der Beck’sche Schmerzensgeldtabelle oder anderer zu orientieren. Die Listen ihrerseits werden gespeist durch das Sammeln von Urteilen, bei denen der klagenden Partei Schmerzensgeld zugesprochen wurde. Bei der Höhe des Schmerzensgeld orientieren sich die Gerichte jedoch wiederum an den Tabellen. Ein per se unsinniges und ungerechtes System.

Erschwerend für Menschen mit einem fehlerhaften Medizinprodukt, Verletzungen durch einen Autounfall oder eine Schlägerei nicht vergleichbar sind mit den Folgen einer fehlerhaften Hüftprothese oder eines Herzschrittmachers. Die Folgen hier sind oft lebenslang und Patienten leiden ihr Leben lang an den Folgen.

Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht in der ARD Sendung Plus Minus. Eine verbindliche Schmerzensgeldtabelle fehle, so wird in der Sendung gesagt. Urteile in vergleichbaren Schadensfällen könnten sich um mehrere 100 Prozent unterscheiden. Wer wie viel Schmerzensgeld erhält, gleiche somit einer Lotterie. Mit Gerechtigkeit und einem fairen Ausgleich für den erlittenen Schaden habe die Rechtsprechung nichts zu tun.

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Veraltete Schmerzensgeldtabellen

In Deutschland so gut wie nicht berücksichtigt wird der Verlust an Lebensqualität oder Einschränkungen in der weiteren Lebensplanung. Die Gerichte scheuen sich, diese sicherlich nicht leicht zu fassenden Folgen zu quantifizieren und zu beurteilen. Eine Bewertung des Grades der erlittenen Schmerzen erfolgt nicht. Auch hier schrecken die Gerichte vor einer Einschätzung subjektiv empfundener Schmerzen zurück. In den Urteilen liegt deshalb der Fokus auf materiellen und quantifizierbaren Schäden bei der Bemessung des finanziellen Ausgleichs.

Keine Abschreckung für Medizinproduktehersteller

Dies führt zu Ungerechtigkeit gegenüber den Betroffenen. Und es stellt keine Abschreckung für Medizinproduktehersteller dar, künftig mehr in die Sicherheit der Patienten zu investieren. Im Falle fehlerhafter Medizinprodukte rechnet es sich für die Hersteller, ein nicht ausreichend getestetes Produkt auf den Markt zu bringen und am unwissenden Patienten zu testen. Versagt das Produkt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene gegen den Hersteller klagt, gering. Denn in der Regel wird der Patient im Glauben gelassen, es handele sich bei ihm um einen Einzelfall, der immer mal passieren könne. Außerdem liegt die Beweislast beim betroffenen Patienten. Und die im Falle einer Verurteilung vom Hersteller zu zahlenden Summen an Schmerzensgeld und Schadensersatz sind so gering, dass sich aufwändige Tests vor Markteinführung für den Hersteller nicht lohnen

Fehlerhafte Medizinprodukte „Schnäppchen“ für Hersteller

Auch bei den Durom- und DePuy Geschädigten können sich die Verursacher Zimmer und DePuy auf die Gerichte verlassen. Willkür und lächerlich geringe Summen bei Schmerzensgeld und Schadensersatz sind auch hier festzustellen. Das erste rechtskräftige Urteil bestätigt die schlimmsten Befürchtungen: das perfide und ungerechte Spiel wiederholt sich. Betroffene werden mit Kleinstbeträgen abgespeist. Die schuldigen Hersteller jubilieren, denn solche Beträge zahlen sie aus der Portokasse. Vorstand und Aktionäre reiben sich freudig die Hände: warum auch vorgeschriebene klinische Test teuer vor Markteinführung durchführen, wenn zusammen mit Ärzten Patienten sccheinbar als kostenlose Versuchskaninchen zur Verfügung stehen. Und falls Patienten erfolgreich klagen, sind die dann zu zahlenden Summen wohl weit unter den Kosten der Klinischen Tests.

Kann man nach einem Unfall sein Auto nicht mehr nutzen, werden die Kosten für einen Mietwagen in Höhe von etwa EUR 100.- pro Tag erstattet. Je nach Modell, für welches Ersatz zu stellen ist. Kann man den Körper nicht mehr nutzen, weil die Gesundheit gravierend durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt geschädigt wurde, gibt es wenige Zehntel Cent pro Tag. Und das auch nur, wenn man die Nerven und die finanziellen Mittel hat, einen Prozess gegen den Hersteller zu wagen und durchzustehen!

Schmerzensgeld in USA

Im Vergleich zu den Vereinigten Staaten von Amerika sind die in Deutschland Geschädigten zugesprochenen Summen für Schmerzensgeld und Schadensersatz, sehr gering. Dies liegt an starren Tabellen, in denen in den 60-er Jahren Beträge für körperliche Schäden, die jemandem schuldhaft von Dritten zugefügt worden waren, festgeschrieben wurden. Zum Beispiel die Haks-Liste, die Celler Liste, die ADAC-Liste, die DAWR-Liste. Allen ist gleich, dass sie den vor Jahrzehnten festgelegten „Wert“ eines körperlichen Schadens ungeprüft beibehalten und nicht vom tatsächlich verursachten Schaden und dessen Folgen ausgehen.

Beispiele

„Oberlandesgericht Zweibrücken, Az. 5 U 3/07: Während einer Operation am Knie wird ein 15 cm langer und 1,2 mm dicker Kirschnerdraht im Körper des Patienten zurückgelassen; Folgen: anhaltende Schmerzen im Oberschenkel- und Rückenbereich für ca. vier Monate, Bildung einer Geschwulst am Rücken, erheblicher Schreck durch Heraustreten des Drahtes aus dem Rücken, weitere Operationen. Vom Gericht zugesprochenes Schmerzensgeld (2008): 4.000,- EUR (Quelle: Link, S. 99).

Nach Messerstichverletzungen im Brustkorb ohne innere Verletzungen sprach das Landgericht Heidelberg 20.04.2000 dem Geschädigten eine Schmerzensgeld in Höhe von EUR 1431,62.- zu (Aktenzeichen: 1 O 38/89).

Weitere Beispiele

Die eigenen Compliance-Regeln tritt Zimmer mit Füßen

Zimmer Biomet behauptet auf der Homepage Großartiges. Die Firma wolle führend sein bei der Einhaltung ethischer und moralischer Geschäftsführung. Sie schreibt:

At Zimmer Biomet, we are committed to being a leader in the area of ethics and compliance. Every day we strive for the highest standards of patient safety, quality and integrity in all that we do.

The Zimmer Biomet Code of Business Conduct and Ethics embodies our commitment to the highest ethical standards and compliance with all applicable laws and regulations. It reinforces our commitment to acting ethically and with integrity in all that we do and guides positive interactions with customers and with people in the communities in which we live and work.

Quelle

Belastende Gerichtsverfahren

Nach den Erfahrungen der Durom-Patienten wird Zimmer Biomet seinen Compliance Regeln nicht gerecht. Die Firma hat wissentlich eine fehlerhafte Hüftprothese in Verkehr gebracht. Sie hat damit billigend in Kauf genommen, dass Patienten an Leib und Leben geschädigt werden.Und schlimmer noch, der Hersteller weigert sich, betroffene Patienten rasch und großzügig zu entschädigen.

Patienten der fehlerhaften Durom-Hüftprothese gehen seit über 12 Jahren durch einen nervenaufreibenden Gerichtsmarathon. Und entgegen aller Urteile behauptet der Hersteller immer noch, die Prothese sei nicht fehlerhaft. Dass betroffene Patienten während dieser langen Verfahrensdauer verstorben sind oder entkräftet aufgegeben haben, erscheint als Teil der Strategie des Herstellers. Auf keinen Fall entspricht das Verhalten von Zimmer Biomet nicht dem eigenen und immer wieder behaupteten Verhaltenskodex.

Fazit

Das OLG-Urteil gegen Zimmer Biomet wegen der fehlerhaften Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese ist eindeutig und rechtskräftig: Der Hersteller muss dem klagenden Patienten Schmerzensgeld plus Zinsen zahlen. Doch was geschieht mit den anderen Durom-Betroffenen?

Zimmer Biomet hat Bereitschaft signalisiert, re-operierte Durom-Patienten zu entschädigen. Doch was ist mit allen anderen? Sollen die leer ausgehen. Und wer bisher noch keine Klage eingereicht hat, soll der nur einen Betrag von EUR 25.000.-, aber keine oder weniger Zinsen erhalten? Bei der Durom-SHG entsteht der Eindruck, dass Patienten möglichst billig abgespeist werden sollen. Signale von Zimmer Biomet, Betroffene unbürokratisch und großzügig zu entschädigen, kamen bisher bei Patienten nicht an.

Für die Anwälte von Zimmer ist das ganze Verfahren ein Geschäft, das wohl möglichst kostengünstig für den Hersteller beendet werden soll. Doch betroffene Patienten würden mehr Lebensqualität gewinnen, wenn sie rasch und großzügig entschädigt würden. Gesundheit und Wohlergehen von Menschen sind jedoch scheinbar keine Kategorien für Konzerne. Wie bei jedem Wirtschaftsunternehmen geht es um Gewinnmaximierung und Verlustminimierung.

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Schmerzensgeld in Deutschland

Schmerzensgeld in Deutschland stellt keinen Ausgleich für erlittene Schmerzen dar. Die Richter an den Gerichten wissen das, oder müssten es wissen. Gerechtigkeit wird es nicht geben, solange Betroffenen keine höheren Zahlungen zugesprochen werden. Die Argumentation der Gerichte, durch die Verurteilung auf Zahlung von Schmerzensgeld dürften die Existenzen der Schuldigen nicht gefährdet werde, greift bei Verfahren gegen Hersteller fehlerhafter Medizinprodukte nicht. Denn Zimmer Biomet, Johnson&Johnson und Co machen jedes Jahr Milliardengewinne. Zimmer Biomet weist in Wirtschaftsplänen über 100 Millionen US-Dollar für Schadensregelungen allein in Europa aus. Angesichts des Umsatzes des Konzerns sind 100 Millionen für ihn eine vernachlässigbare Größe. Und allein der CEO von Zimmer Biomet hat im Jahr 2022 übrt 16 Millionen Dollar verdient. Betroffenen Patienten würde es enorm helfen, würde ihnen ein Teil dieser Summen zu Gute kommen.

2 Kommentare
  1. Charlotte R
    Charlotte R sagte:

    Je suis intéressée de recevoir toutes les informations concernant la procédure indemnisation suite à la pose de la prothèse Zimmer incriminée. Merci Charlotte
    Übersetzung des Admin:
    Ich bin an Informationen zum weiteren Vorgehen bei den Entschädigungen wegen der fehlerhaften Zimmer Prothese interessiert. Danke Charlotte

    Antworten
    • Charlotte R
      Charlotte R sagte:

      J ai participé dès le début activement aux différents groupes et suis contente du résultat. J’aimerait donc également profiter de l’indemnisation pour toutes les inconvénients et surtout pour les douleurs qui sont toujours présentes. Merci Charlotte
      Übersetzung des Admin:
      Ich habe mich von Anfang an aktiv engagiert und bin mit dem Erreichten zufrieden. Dennoch würde auch ich gerne von den nun zugesprochenen Zahlungen für die erlittenen Gesundheitsschäden profitieren. Vor allem wegen der Schmerzen, die immer noch vorhanden sind. Danke Charlotte

      Antworten

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