Hersteller umgehen klinische Tests

In der ARD-Sendung „Hart aber Fair“ vom 26.11.2018 behauptete die Journalistin Britta von der Heide, 90 Prozent aller Hochrisiko-Medizinprodukte werden nicht klinisch am Menschen getestet. Viele weitere würden lediglich aufgrund bereits vorhandener Daten zugelassen. Im Fakten-Check überprüfte die Redaktion diese Aussage.

Dr. Stefan Sauerland stimmt der Journalistin zu. „In der Tat werden bislang viele Produkte nur anhand der klinischen Daten zu Vorgängerprodukten zertifiziert“, sagt er laut Redaktion „Hart aber fair“. Dr. Sauerland ist seit 2010 Leiter des Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Köln; zuvor Geschäftsführer des Zentrums für Klinische Studien und Innovation und Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Forschung in der Operativen Medizin. Er sagt weiter: „Eigene klinische Prüfungen erfolgen nicht“.

Klinische Tests werden seit Jahren unterlassen

Klinische Tests zu umgehen indem auf Vorgängermodelle verwiesen wird, ist seit Jahren gängige Praxis der Medizinproduktehersteller. Das Äquivalenzprinzip stellt nach Auffassung der Durom-Selbsthilfegruppe eines von vielen Schlupflöchern bei der Zulassung von Medizinprodukten dar. So wird bei jeder Weiterentwicklung und bei jeder Änderungen eines einmal zugelassenen Produkts behauptet, es sei vergleichbar mit dem vorherigen. Am Ende der Kette besteht keinerlei Übereinstimmung zwischen den einzelnen Produkten mehr. Aber auch wenn sich der Hersteller zum ersten Mal auf die Äquivalenz beruft, wird nicht überprüft, ob die Behauptung zutreffend ist. Intransparent ist der gesamte Themenbereich Klinische Tests und Äquivalenz. „Denn bislang bleibt geheim, welche klinischen Daten für ein neues Medizinprodukt vorgelegt wurden“, so Sauerland.

Äquivalenzprinzip in der neuen MDR

Das Äquivalenzprinzip wird durch die neue EU-Medical-Device-Regulation eingeschränkt: Hersteller können sich nur noch auf bestehende klinische Daten eines eigenen Vorgängerproduktes beziehen und nicht mehr auf die von Konkurrenzprodukten. Doch auch durch die neue MDR wird nicht ausgeschlossen, dass „normale“ Patienten als Versuchskaninchen missbraucht werden. „Daher wird es in jedem Fall auch in Zukunft neue Hochrisiko-Medizinprodukte geben, die ohne klinische Prüfung auf den Markt kommen.“ So könne es auch in Zukunft weiterhin vorkommen, dass „normale“ Patienten in deutschen Krankenhäusern die ersten sind, bei denen ein neues Medizinprodukt implantiert wird, sagt der Experte.