EU-Kommission und Medizinprodukte
Die Europäische Kommission ist für die Sicherheit von Medizinprodukten in Europa zuständig. Doch sucht man auf den Seiten der Kommission nach „Medizinprodukten“ wird man nicht fündig. Lediglich Fakten zur CE-Kennzeichnung mit der Möglichkeit, sich ein Original des CE-Kennzeichen herunter zu laden, ist zu finden. Unter „Wichtiger Hinweis“ (Important Note) steht:
Please note that a CE marking does not indicate that a product has been approved as safe by the EU or by another authority. It does not indicate the origin of a product either.
Das CE-Kennzeichen zeigt also weder an, ob ein Produkt sicher ist, noch ob das angegebene Herkunftsland korrekt ist. Wenn das CE-Kennzeichen also keinen praktischen Nutzen für Verbraucher hat, muss die Frage erlaubt sein, warum sich die Kommission dann ein aufwändiges und teures Beratungs- und Informationsaustauschsystem leistet.
Viele Beratungsgremien
Es gibt drei Beratungsgremien, welche die Europäische Kommission beraten und die für Fragen im Zusammenhang mit Hüftprothesen von Bedeutung sein können:
- the Scientific Committee on Consumer Safety (SCCS),
- the Scientific Committee on Health and Environmental Risks (SCHER) and
- the Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR).
Ferner wird die Kommsission unterstützt von
- the European Food Safety Authority (EFSA),
- the European Medicines Agency (EMA),
- the European Centre for Disease prevention Control (ECDC)
- the European Chemicals Agency (ECHA).
Die SCENIHR
Das Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) arbeitet interdisziplinär. Es ist zuständig für Gesundheitsrisiken, die sich aus aktuellen Entwicklungen und Erkenntnissen ergeben. Ziel ist der Schutz der Öffentlichkeit und der Verbraucher. Deshalb wurde das SCENIHR von der Kommission um eine wissenschaftliche Stellungnahme zur Sicherheit von Metall-auf-Metall Hüftprothesen gebeten. Das SCENIHR kommt zum Ergbnis, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung (2013/2014) noch zu wenig Daten für eine verlässliche Beurteilung vorliegen. Danach stehen in der Antwort des SCENIHR nur noch inhaltsleere Allgemeinplätze.
Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Ausschusses SCENIHR der Europäischen Kommission zur Sicherheit von Gelenkprothesen mit Metall-auf-Metall (Metal-on-Metal, MoM) Gleitpaarung finden Sie hier: LINK
Erreichbar ist das SCENIHR bei der Eurpäischen Kommission in Luxemburg: European Commission DG Health & Consumers Directorate C: Public Health Unit C2 – Health Information Office: HTC 03/073 L-2920 Luxembourg SANCO-C2-SCENIHR@ec.europa.eu
Kommentar
Das SCENIHR berät die Kommission. Sie bewegt sich bei seiner Arbeit und in einemeuropäischen Haifischbecken. Unterschiedliche Interessenslagen, Lobbyisten und direkte Beeinflussungen durch Konzerne sind an der Tagesordnung. Man hat den Eindruck, dass das SCENIHR vor allem keiner dieser mächtigen GRuppen auf die Füße treten will. Nach dem Motto, „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankist“, scheint das SCENIHR bei der Patientensicherheit lieber zwei Schritte zurück als einen nach vorne zu gehen. Denn 2013/2014 waren die Probleme mit den Metall-auf-Metall (MoM) Hüftprothesen von Zimmer und DePuy bereits seit mehr als 5 Jahren bekannt. Die hier vorliegenden Zahlen und Erfahrungen hätten also ausreichen müssen, um eine klare Warnung im Interesse der Verbraucher zu formulieren.
Das heißt, wirklich hilfreich sind die Empfehlungen des SCENIHR nicht. Aber auch das bundesdeutsche BfArM ist bei Warnung vor Medizinprodukten zurückhaltend. Vermutlich aus den gleichen Gründen.
„Empfehlung“ des BfArM
Beispiel: Das BfArM empfiehlt,
- „dass sich evtl. betroffene Patienten an den Arzt ihres Vertrauens wenden.
- dass sich Ärzte an Ihre Fachgesellschaften wenden, um für ihre Patienten die besten medizinischen Behandlungs- und Nachsorgestrategien gemäß der Stellungnahme des SCENIHR zu entwickeln.“ (Quelle)
Die Patienten hätten ein offensivere Rückendeckung jedoch nicht nur bitter nötig, sondern auch mehr als verdient. Denn sie werden allein von allen, deren Aufgabe der Patientenschutz eigentlich ist. Betroffene Patienten kämpfen verzweifelt um ihr Recht. Denn die Medizinproduktehersteller lehnen jede Verantwortung für ein fehlerhaftes Medizinprodukt ab.
Finanzielle Entschädigung für Hersteller kein Problem
Einen zumindest finanziellen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Schäden wäre für die global player wie Zimmer Biomet oder Johnson&Johnson kein Problem. Doch sie treiben Klageverfahren durch alle Instanzen, wohl in der Hoffnung, dass die Patienten irgendwann entkräftet aufgeben oder das „zeitlich segnen“. Bei den Verfahren betroffener Durom-Patienten gegen Zimmer verzögerten deren Anwälte die Verfahren mit allen zur Verfügung juristischen Mitteln und Kniffs. So lag erst nach mehr als 12 Jahren Rechtsstreit ein erstes rechtskräftiges Urteil gegen den Hersteller vor.
Gerechtigkeit für Patienten?
Wo, fragt man sich da, bekommen Patienten, denen ein fehlerhaftes Medizinprodukt implantiert wurde, Hilfe und Gerechtigkeit? Wer unterstützt sie bei der Bewältigung ihrer körperlichen und seelischen Schmerzen? Wer sichert ihre finanzielle Existenz, wenn sie aufgrund der Folgen ihres fehlerhaften Medizinproduktes ihren Job verlieren, hohe finanzielle Aufwendungen haben? Wer gibt ihnen eine neue Lebensperspektive nachdem ihre bisherige Lebensplanung, ihre Hoffnungen zerstört wurden? Wer stärkt ihre Position bei den Gerichtsverfahren? Wer übernimmt für die das finanzielle Risiko einer Klage gegen einen Weltkonzern? Wer bestraft die Verantwortlichkeit? Ob es da hilft, „dass sich evtl. betroffene Patienten an den Arzt ihres Vertrauens wenden“ wie das BfArM empfiehlt?
Das trifft in der Aussage genau den „Nagel auf den Kopf“. Nicht nur das es dem Geschädigten Betroffenen eines fehlerhaften nicht langfristig getesteten Medizinproduktes vom Medizinproduktherstellers langwierig Klagen muss um zu seinen Recht zu kommen, trägt auch die Allgemeinheit der Solidargemeinschaft die zusätzlichen unnötigen Kosten für Revisionsoperationen, Rehabilitation etc. Und somit dreht sich die Spirale für die Verantwortlichen erneut, dass sie wiederum daran verdienen. Man nennt es auch Gewinnmaximierung zu Lasten der Patienten.