Welche Prothese? Interview

Foto: Dr. Hariri

Dr. Nawid Hariri, Jahrgang 1981, ist Arzt mit Privatpraxis in Heppenheim und Mannschaftsarzt der U 20 Frauennationalmannschaft. Während seiner Ausbildung war er Facharzt an verschiedenen orthopädischen Fachkliniken, wo er umfangreiche Erfahrungen bei Hüft- und Knieoperationen sammelte. Wir trafen ihn während eines Vorbereitungsturniers der U20 Frauenfußballnationalmannschaft in Växjö, Schweden.

Durom-SHG:

Herr Dr. Hariri, wie kamen Sie als Mannschaftsarzt zur U20 Frauennationalmannschaft und zum DFB?

Dr. Hariri:

Ich war Mannschaftsarzt in der 1. Handballbundesliga, bei der TSG Weinheim und TSG Hoffenheim und spiele selber Fußball. In meiner Ausbildung habe ich bei Dr. Müller-Wohlfahrt in München hospitiert. Als die Ausschreibung des DFB kam, habe ich mich beworben und es hat geklappt.

Durom-SHG:

Patienten, die vor einer Hüft-TEP stehen, sind nach den Berichten über fehlerhafte Hüftprothesen verunsichert. Der Skandal um das fehlerhafte Durom-Prothesenmodell der Firma Zimmer Biomet hat bundesweit Wellen geschlagen. Was würden Sie Betroffenen vor einer Hüft-Operation raten?

Dr. Hariri:

Wichtig ist, sich eine Klinik zu suchen, die möglichst viele Hüft-TEP Operationen pro Jahr durchführt. Und einem Operateur, der schon viele solcher Operationen gemacht hat, kann man grundsätzlich vertrauen. Er weiß, was er macht, welche Modelle sich bewährt haben und er kann dann souverän reagieren, wenn Komplikationen während der OP auftreten. Auch Routine bei den allgemeinen Abläufen im Krankenhaus, bei Pflege und Nachbehandlung ist ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Operation.

Durom-SHG:

Welches Prothesenmodell würden Sie Patienten empfehlen?

Dr. Hariri:

Zunächst einmal ist es die Verantwortung des Operateurs ein für den Patienten geeignetes Modell auszuwählen. Hier sollte dem Arzt vertraut werden, denn er hat die Erfahrung und das Wissen. Er kann einschätzen, welches Modell am besten zum Patienten passt. Man kann sich vorstellen, dass einem jungen und noch sportlich aktiven Menschen mit einer hohen Knochendichte ein anderes Modell empfohlen wird als einem 90-Jährigen, der sich nur noch wenig bewegt. Dies heißt jedoch nicht, dass der Patient nicht nachfragen sollte. Welches Modell soll implantiert werden, welche OP-Methode soll angewandt werden, welche Alternativen gibt es, usw.. Kritisch sollte man bei neuen Prothesenmodellen sein, die noch nicht lange auf dem Markt sind. Für diese liegen dann auch noch keine Langzeitstudien vor, man weiß also nicht, wie sich diese Modelle im Patienten bewähren und wie lange sie halten. In so einem Fall muss der Arzt den Angaben des Herstellers glauben. Der Arzt sollte sich jedoch vorher informieren, ob die vorgeschriebenen klinischen Tests, die vor Markteinführung eines neuen Modells vorgeschrieben sind, auch durchgeführt wurden und welche Erfahrungen bereits vorliegen.

Durom-SHG:

Seit vielen Jahren ist man auf der Suche nach den optimalen Materialien und Gleitpaarungen für Hüftprothesen. Beim Durom-Metasul-LDH-Hüftprothesenmodell waren es ein Titanschaft, ein Chrom-Kobalt Großkugelkopf und eine Metallpfanne. Dazu kam ein Adapterstück zwischen Schaft und Kugelkopf, um Beinlängenunterschiede auszugleichen. Das hat nicht funktioniert, es entstand hochgiftiger Metallabrieb. Welche Materialkombination würden Sie empfehlen?

Dr. Hariri:

Von Metall-auf-Metall Gleitpaarungen mit Großköpfen über 36 mm ist man nach den schlechten Erfahrungen mit der Durom-Prothese weggekommen. Gut zu bewähren scheint sich eine Keramikkugel mit einer Keramikpfanne, wobei hier eine gewisse Bruchgefahr besteht. Als Alternative bietet sich ein Keramikkopf in einer Pfanne mit hochvernetztem Polyäthylen-Inlay an, das manchmal auch zusätzlich mit Vitamin E bedampft wird. Durch das Vitamin E kann sich die Lebensdauer der Prothese verlängern. Ob dies immer noch gemacht wird, weiss ich im Moment nicht. Die Größe des Kugelkopfes und der Pfanne ist entscheidend für die Luxationsgefahr. Je größer der Kopf umso geringer die Gefahr, dass sich das Gelenk ausrenkt. Und auch die Rundumdrehung ist bei größeren Kugelköpfen besser. Doch auch hier gilt, zu viel ist ungesund. Nicht jede Größe passt für jeden Patienten. Letztendlich muss der Operateur entscheiden, wenn er den Patienten untersucht hat. Empfehlenswert ist aber immer den sichereren Weg zu gehen und sich für eine Standard-Prothese zu entscheiden, mit der seit vielen Jahren gute Erfahrungen gemacht wurden.

Durom-SHG:

In den letzten Jahren hat sich neben der klassischen die minimalinvasive Operationsmethode etabliert. Auch hört man immer wieder von Operationsrobotern, welche Operationen wesentlich präziser als Chirurgen durchführen könnten.  Zu welcher Operationsmethode tendieren Sie?

Dr. Hariri:

Den Operationscomputer, der eine Hüft-TEP praktisch alleine durchführt, gibt es nicht. Was bereits Anwendung findet sind CAS-Systeme (computer assisted surgery), die dem Arzt ein millimetergenaues Operieren ermöglichen und eine große Hilfe bei der Ausrichtung der Prothese im Patienten sein können. Das funktioniert im Prinzip wie das Navi im Auto, nur natürlich viel, viel genauer. Meiner Meinung nach bringt das schon etwas. Aber ob es die Kosten lohnt, weiß ich nicht. Beckenübersichtsbilder reichen nach meinen Erfahrungen völlig aus. Für den einen oder anderen Operateur können aber CAS-Systeme vor allem bei komplizierteren Fällen eine zusätzliche Hilfe sein. Doch letztendlich muss der Arzt alle Entscheidungen während einer Operation treffen.

Durom-SHG:

Es gibt immer wieder Berichte, dass Operateure finanziell profitieren, wenn sie ein bestimmtes Prothesenmodell möglichst häufig implantieren. Entscheidet der Arzt wirklich immer im Interesse des Patienten?

Dr. Hariri:

Natürlich können erfahrene Operateure auch bei der Entwicklung neuer Prothesenmodelle involviert sein. Es macht ja durchaus auch Sinn, die Erfahrung und Kompetenz der Ärzte bei der Entwicklung miteinzubeziehen. Dass hier dann ein persönliches Interesse entsteht, die Prothese in der Praxis auszuprobieren, ist verständlich und muss nicht immer von finanziellen Interessen geleitet sein. Wird der Arzt jedoch für die Implantation eines bestimmten Prothesenmodells bezahlt, schreiben die Compliance-Regeln vor, dies transparent und öffentlich zu machen.

Durom-SHG:

Wegen der Krankenhauspauschale werden Hüft-TEP Patienten oft bereits nach wenigen Tagen in die ReHa entlassen. Macht es Sinn, so früh in eine RaHa-Klinik zu verlegen?

Dr. Hariri:

Reha macht Sinn, nachdem die Fäden gezogen wurden und die Wunde verheilt ist. Ich würde deshalb empfehlen, zuerst zu Hause mit Lymphdrainagebehandlungen den Heilungsprozess abzuwarten und dann in eine ambulante oder stationäre ReHa zu gehen.

Durom-SHG:

Dr. Hariri, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und der Mannschaft viel Erfolg bei der U20 Fußballweltmeisterschaft der Frauen in Kolumbien im September.

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