Ärztliche Behandlungsfehler

Ärztliche Behandlungsfehler kommen häufiger vor als viele wahr haben wollen. Man spricht von einem Behandlungsfehler, im Volksmund auch Kunstfehler genannt, wenn ein Arzt bei der Diagnose oder bei der Behandlung einem Patienten einen Schaden zufügt. Nach deutschem Recht liegt ein Behandlungsfehler vor,

wenn eine medizinische Behandlung nicht nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards erfolgt (§ 280 Abs. 1 BGB, § 630a Abs. 2 BGB).

Beispiele für „klassische“ Behandlungsfehler sind:

  • Falsche Diagnose
  • Fehlerhafte Medizinprodukte
  • Verbleib von Fremdkörpern nach Operationen
  • Unzureichende Hygiene
  • Unzureichende Aufklärung des Patienten über die Risiken eines Eingriffs
  • Nicht fachgerechte Durchführung einer Operation
  • Medikationsfehler
  • Geräteversagen

Zur Häufigkeit von Behandlungsfehlern

In Deutschland zeigen aktuelle Statistiken ein besorgniserregendes Bild: Im Jahr 2022 wurden vom Medizinischen Dienst (MD) 13.059 fachärztliche Gutachten Behandlungsfehlern erstellt. In etwa 25% der Fälle (3.221) bestätigte sich der Verdacht. Dabei war in 20% der Fälle (2.696) der Kunstfehler die direkte Ursache für den erlittenen Schaden.

Behandlungsfehler werden jedoch oft nicht gemeldet. Besonders häufig trifft dies bei Seiten- und Medikamentenverwechslungen zu. Die Meldung von Fehlern wird häufig unterlassen, weil Betroffene vor der schwierigen Beweislage zurück schrecken oder weil ihnen nicht bewusst gemacht wird.

Dunkelziffer

Die Meldung von Behandlungsfehlern ist international verpflichtend (Global Patient Safety Action Plan 2021–2030; EU-Richtlinie 2011/24/EU). Doch Deutschland hinkt auch hier den internationalen Standards hinterher. Dr. Stefan Gronemeyer, Vorstandvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund, sagt über die Meldepflicht von Behandlungsfehlern:

„Das ist internationaler Standard in der Patientensicherheit. Es ist aus Patientensicht nicht hinnehmbar, dass Deutschland das nicht umsetzt.“ (Quelle)

Experten schätzen, dass etwa 1% aller Krankenhausfälle von Behandlungsfehlern betroffen sind. Alarmierend ist, dass davon nur etwa 3% aller unerwünschten Ereignisse tatsächlich nachverfolgt werden. Das deutet auf eine Vielzahl von Patienten hin, die falsch behandelt wurden, ohne dass dies für die Schuldigen Konsequenzen hatte.

Todesfälle

Im Jahr 2023 führten in 75 bestätigten Fällen Behandlungsfehler zum Tod des Patienten. Auch bei der Zahl der Todesfälle durch Behandlungsfehler gibt es jedoch eine hohe Dunkelziffer. Nach Schätzungen sterben etwa 17.000 Patienten pro Jahr, weil sie falsch oder nicht fachgerecht behandelt wurden (Quelle). 17.000 Menschen könnten noch leben, wenn die Sicherheit der Patienten in Deutschland einen höheren Stellenwerte hätte. Doch solange Wirtschaftsinteressen Vorrang haben vor Patientensicherheit, wird sich an den erschreckenden Zahlen nichts ändern, werden weiter Menschen sterben, die ärztliche Hilfe benötigt haben.

Internationale Perspektive:

In den Vereinigten Staaten wird die Situation als noch kritischer eingeschätzt. Studien deuten darauf hin, dass in den USA medizinische Fehler die dritthäufigste Todesursache sind. Nach Schätzungen sterben jährlich etwa 250.000 Patienten durch Behandlungsfehler, wobei die Zahlen je nach Methodik zwischen 134.581 und 400.201 Todesfällen pro Jahr schwanken. Die Zahlen verdeutlichen, dass Behandlungsfehler ein anhaltendes und schwerwiegendes Problem im Gesundheitswesen darstellen, sowohl in Deutschland als auch international. Es ist erschreckend, dass es offenkundig keine Ernst zu nehmenden Bemühungen gibt, diesem Missstand Abhilfe zu schaffen.

Ursache für Behandlungsfehler

Ärzte seien zu sehr von sich überzeugt, sie überschätzten die Genauigkeit ihrer Diagnosen. Das sensible Problem von Fehldiagnosen werde zu wenig thematisiert und sei auch nicht ausreichend erforscht. Zeitdruck in vielen Kliniken für die Fehler verantwortlich. Wirtschaftliche Verbindungen zwischen Arzt und Hersteller, fehlendes Interesse der Krankenkassen im Interesse der Patienten gegen Ärzte und Hersteller vorzugehen.

Präventionsstrategien

Um die Häufigkeit von Behandlungsfehlern zu reduzieren und die Patientensicherheit zu verbessern, werden verschiedene Strategien vorgeschlagen:

  • Verbesserung der Kommunikationskultur: Eine entscheidende Strategie ist die Förderung einer neuen Kommunikationskultur zwischen Gesundheitsdienstleistern und Patienten. Dies beinhaltet detaillierte Gespräche vor medizinischen Eingriffen, um Patientenerwartungen zu klären und medizinische Möglichkeiten zu erläutern. Eine solche Kommunikation hilft, Erwartungen anzugleichen und Missverständnisse zu reduzieren, die zu vermeintlichen Fehlern führen könnten.
  • Implementierung von Risikomanagement: Ein effektives Risikomanagement ist unerlässlich, um medizinische Fehler zu reduzieren. Dies umfasst die Identifizierung von Risikobereichen in Gesundheitseinrichtungen und die Durchführung selbstkritischer Diskussionen innerhalb von Abteilungen und Kliniken. Durch proaktives Verständnis und Adressierung dieser Risiken können Gesundheitsdienstleister potenzielle Fehler minimieren .
  • Förderung einer Sicherheitskultur: Die Etablierung einer Sicherheitskultur ist von entscheidender Bedeutung. Kommunikationsstrategien und Fehlermanagement sollten von Beginn an integraler Bestandteil der medizinischen Ausbildung sein. Dazu gehört auch, identifizierte Fehler zuzugeben und schnell zu kommunizieren, was zum Lernen aus Fehlern und zur Verhinderung zukünftiger Vorkommnisse beitragen kann.
  • Nutzung von Fehlermeldesystemen: Systeme wie das Critical Incident Reporting System (CIRS) werden eingesetzt, um Maßnahmen zur Fehlervermeidung zu entwickeln. Diese Systeme fördern die Meldung und Analyse von Fehlern und schaffen eine Lernumgebung, in der Gesundheitsdienstleister Bewältigungsstrategien entwickeln und ihre Lernprozesse verbessern können.
  • Patientenermächtigung und -einbindung: Die Stärkung der Patienten durch Aufklärung und Einbeziehung in ihre Behandlung kann ebenfalls Fehler reduzieren. Wenn Patienten informiert und engagiert sind, können sie aktiver an ihren Gesundheitsentscheidungen teilnehmen und möglicherweise Fehler erkennen, bevor sie auftreten.
    Verbesserung der Ausbildung und Fortbildung: Kontinuierliche Schulungen und Fortbildungen für medizinisches Personal, insbesondere in Bereichen mit hoher Fehlerquote wie der Orthopädie und Unfallchirurgie, können dazu beitragen, die Kompetenz zu erhöhen und Fehler zu reduzieren.
  • Stärkung der Patientenrechte: Die Weiterentwicklung von Patientenrechten und die Verbesserung der Unterstützung für Patienten, die einen Behandlungsfehler vermuten, sind wichtige Schritte. Organisationen wie die AOK bieten strukturierte Unterstützung für Patienten, einschließlich Beratung, Beschaffung von Krankenakten und gründlicher medizinischer Bewertung des vermuteten Fehlers.
  • Effizienzsteigerung bei Schlichtungsverfahren: Die Arbeit von Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, die seit über 40 Jahren bestehen, sollte weiter gestärkt werden. Diese Einrichtungen bieten Patienten und Ärzten eine kostengünstige und relativ schnelle Möglichkeit zur Klärung von Behandlungsfehlern, oft innerhalb von etwa 15 Monaten, was deutlich kürzer ist als typische Gerichtsverfahren im medizinischen Haftungsrecht.
    Durch die Umsetzung dieser Strategien kann das Gesundheitssystem darauf hinarbeiten, die Häufigkeit von Behandlungsfehlern zu reduzieren und die allgemeine Patientensicherheit zu verbessern. Es ist ein komplexer Prozess, der die Zusammenarbeit aller Beteiligten erfordert, von den Gesundheitsdienstleistern über die Patienten bis hin zu den Regulierungsbehörden.

Quelle

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