Hanspeter Hauke, Jan Metzler, Marcus Schneider, Jürgen Thoma (v.l.n.r.)

Der Vorsitzende Hanspeter Hauke und Jürgen Thoma vom Vorstand der Selbsthilfegruppe Durom-Metasul-LDH-Hüftprothesen e.V. sprachen mit Jan Metzler, Mitglied des Deutschen Bundestages. Der mehrstündige Gesprächstermin war auf Vermittlung von Marcus Schneider, selbst Durom-Betroffener und Mitglied der Durom-SHG, zustande gekommen. Das Beispiel der fehlerhaften Durom-Hüftprothese zeigt, dass Medizinprodukte in Deutschland ohne ausreichende Kontrollen zugelassen werden. Und somit nicht sicher sind. „Jeder Mensch braucht im Laufe seines Lebens eine neue Hüfte, einen Herzschrittmacher oder ein anderes Medizinprodukt. Deshalb ist es dringend geboten, die Sicherheit bei Medizinprodukten zu verbessern“, so Hanspeter Hauke im Gespräch mit Jan Metzler.

Wenn Medizinprodukte die in sie gestellten Sicherheitserwartungen erfüllen, sind sie ein Segen für Patienten. Die Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese der Firma Zimmer Biomet weist jedoch eine Versagensrate von über 30% auf. Betroffene leiden an gesundheitsschädlichem Metallabrieb.

BGH bestätigt: Durom-Prothese ist fehlerhaft

2022 hat der Bundesgerichtshof nach über 12 Jahren Verfahrensdauer ein Urteil von Land- und Oberlandesgericht durch Nichtzulassung der Revision bestätigt. Die Durom-Prothese ist fehlerhaft, hätte nicht auf den Markt gebracht werden dürfen und der Hersteller hat vorgeschriebene Tests nicht durchgeführt. Das erste von vielen noch laufenden Verfahren wurde somit rechtskräftig.

Fehlerhafte Medizinprodukte kosten die Kassen jedes Jahr Millionen

Durch fehlerhafte Medizinprodukte entsteht der Solidargemeinschaft der Versicherten erheblicher Schaden. Die Krankenkassen übernahmen jedoch ohne Nachfragen die Kosten für die zusätzlichen Operationen und Behandlungen. Die Unterstützung oder auch nur Zusammenarbeit mit den Betroffenen verweigerten die Kassen.

Unklare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten

Das für die Sicherheit von Medizinprodukten nach Markteinführung zuständige Regierungspräsidium Freiburg ignorierte 2010 die Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Durom-Prothese vom Markt zu nehmen. Die Information der mit der Problem-Prothese belieferten Kliniken wurde vom RP Freiburg verweigert. Die Durom-Hüftprothese konnte somit weiter in Patienten implantiert werden.

Am Beispiel der Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese der Firma Zimmer Biomet werden grundsätzliche Sicherheitsprobleme bei Zulassung und Überwachung von Medizinprodukten in Europa und Deutschland sichtbar. Sie müssen umgehend behoben werden.

Das CE-Konformitätsverfahren bietet keine Sicherheit

Die Zulassung von Medizinprodukten ist auf europäischer und nationaler Ebene umfänglich geregelt. Ein beeindruckendes Regelwerk soll gewährleisten, dass nur sichere Medizinprodukte auf den Markt kommen. Aber unabhängig von der Risikogruppe, ist für alle Medizinprodukte im Prinzip das gleiche Zulassungsverfahren vorgeschrieben. Wie für Heftpflaster muss auch für Herzschrittmacher oder Hüftprothesen das CE-Konformitätsverfahren durch Benannte Stellen durchgeführt werden. Dieses Zulassungsverfahren führt nicht verlässlich dazu, dass ausschließlich sichere Produkte eine Marktzulassung erhalten.

Der Fehler liegt im System

Die Ursachen sind systemimmanent. So umfasst der Prüfauftrag der Benannten Stellen die Überprüfung der vom Hersteller eingereichten Unterlagen und der Plausibilität der vom Hersteller durchgeführten Tests. Darüberhinausgehende, unabhängige Sicherheitsprüfungen finden nicht statt.

Bei Hochrisikoprodukten vorgeschriebene (klinische) Prüfungen oder Tests werden durch Hinweise auf bereits zugelassene, vergleichbare Produkte (Äquivalenzprinzip) ersetzt. Eine Prüfung durch die Benannten oder andere Stellen, ob diese Vergleichbarkeit tatsächlich gegeben ist, findet nicht statt.

Die Benannten Stellen werden vom Hersteller beauftragt und bezahlt. Die wirtschaftliche Abhängigkeit birgt die Gefahr von Gefälligkeitszertifizierungen. So wurde ein Mandarinennetz[1] aus dem Supermarkt problemlos als Medizinprodukt zertifiziert.  Auch bei den FFP2-Masken erhielten Produkte die Zulassung, welche den vorgegebenen Standards nicht entsprachen.

Die neue Medical Device Regulation[2] hält am CE-Konformitätsverfahren durch vom Hersteller beauftrage Benannte Stellen fest. Dies zementiert die Gefährdung von Patienten durch fehlerhafte Medizinprodukte.

Von einem fehlerhaften Medizinprodukt Betroffene erhalten keine Unterstützung

Wegen erheblicher Preisnachlässe bei großer Stückzahl ordern Kliniken tendenziell größere Kontingente von einzelnen Medizinprodukten. Operateure profitieren durch Rückmeldung ihrer Erfahrungen an den Hersteller. Patienten werden nicht aufgeklärt, dass ihnen ein neues, noch nicht erprobtes Prothesenmodell implantiert werden soll. Treten Probleme nach der Operation auf, werden sie gegenüber dem Patienten als Einzelfall deklariert.

BfArM – ein zahnloser Tiger

Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) müssen Vorkommnisse bei Medizinprodukten gemeldet werden. Es prüft die eingehenden Meldungen und spricht auf der Grundlage seiner Erkenntnisse eine Empfehlung für die zuständige Landesbehörde aus. Die Landesbehörden müssen der Empfehlung des BfArM nicht folgen. Das für die Durom-Hüftprothese zuständige Regierungspräsidium in Freiburg ignorierte die Empfehlung des BfArM, die Prothese vom Markt zu nehmen. Sie konnte weiterhin in Patienten implantiert werden.

Die Krankenkassen vermeiden eine Unterstützung betroffener Patientinnen und Patienten. Gutachten des Medizinischen Dienstes sind vor Gericht unerheblich.

Vor Gericht haben Betroffene schlechte Karten

 In Deutschland muss jeder einzelne Betroffene Klage gegen den Hersteller des fehlerhaften Medizinprodukt einreichen. Sammelklagen gibt es nicht. Für eine Musterfeststellungsklage fehlt Patienten eine klageberechtigte Vertretung. Die psychologischen, juristischen und finanziellen Hürden für betroffene Patienten sind unangemessen hoch. Hersteller beauftragen Großkanzleien mit tausenden von Anwälten und Mitarbeitern, Patientinnen und Patienten haben diese Möglichkeit nicht.

Nachweis der Fehlerhaftigkeit

Betroffene müssen in jedem Einzelfall die Fehlerhaftigkeit des Produkts nachweisen. Informationen vom Hersteller oder bei Benannten Stellen eingereichte Herstellerunterlagen bleiben Betriebsgeheimnis und stehen Patientinnen und Patienten nicht zur Verfügung. Mögliche Gutachter werden im Vorfeld vom Hersteller mit Ursachenforschung beauftragt. Unabhängige und unvoreingenommene Gutachter stehen den Betroffenen vor Gericht dann nicht mehr zur Verfügung.

Höhe von Schmerzensgeld in Deutschland lächerlich gering

Die vom Hersteller im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Schmerzensgeld- und Schadensersatzzahlungen betragen wenige Cent pro Tag. Sie stellen keinen Anreiz für den Hersteller dar, in vorgeschriebene klinische Prüfungen vor Markteinführung zu investieren.

Im Interesse der Patientensicherheit bitten wir Sie herzlich um Ihre Unterstützung. Tragen auch Sie dazu bei, dass Herzklappen, Stents, Prothesen, Brustimplantate und vieles mehr sicherer werden. Verhindern Sie weiteres Leid durch fehlerhafte Medizinprodukte. Setzen Sie sich deshalb ein für eine Verbesserung der Zulassungs- und Überwachungspraxis bei Medizinprodukten!

[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/implantate-implant-files-jet-schouten-interview-1.4223900
siehe auch: Süddeutsche Zeitung, 26.10.2012, „Aus der Hüfte“ von Werner Bartens

[2] https://durom-hueftprobleme.de/medizinprodukte/zulassungsverfahren/zulassung-von-medizinprodukten-eu-tauscht-offentlichkeit