MDR hält an Benannten Stellen fest

Die am 22. Oktober 2013 verkündete „Medical Device Regulation“ der Europäischen Kommission wird als Fortschritt für mehr Patientensicherheit angepriesen. Doch welche Fortschritte bringt sie tatsächlich für die Sicherheit von Medizinprodukten und den Schutz von Patienten vor fehlerhaften Prothesen, Herschrittmacher, u.v.m.?

Die neue Medical Device Regulation der EU (MDR)

Dienstag, der 22. Oktober 2013 wird bei von fehlerhaften Medizinprodukten betroffenen Patienten als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem sich wieder einmal die Interessen der Hersteller gegen den Schutz von Patienten zum größten Teil durchgesetzt haben.

In einer Presseerklärung der Europäischen Kommission am 24.09.213 äußert sich der EU Commissioner for Consumer Policy, Neven Mimica:
„With today’s measures the European Commission further strengthens the safety of medical devices. We now have a clearer basis for unannounced audits, sample testing, or joint assessments by notified bodies. Full clarity can only be achieved through amending the basic legislation. I am committed to support the Parliament and the Council with a view to completing the on-going revision by early next year.“ (zitiert nach der Presseerklärung der Europäischen Kommsission vom 24.09.2013).

Die Prüfung von Medizinprodukten ist also nach wie vor Aufgabe der im Jahr 2015 etwa 80 Benannten Stellen in Europa. Als Folge der MDR wird sich ihre Anzahl jedoch wahrscheinlich wesentlich verringern. Nach der Definition der Europäischen Kommission sind

„Benannte Stellen (…) unabhängige öffentliche oder private dritte Organisationen oder Unternehmen, die von den Mitgliedstaaten dazu ernannt worden sind, Kontrollen bei den Herstellern von Medizinprodukten mit mittlerem oder hohem Risiko durchzuführen. Eine in einem Mitgliedstaat durchgeführte Kontrolle hat für die gesamte EU Gültigkeit.“

Die neuen Vorschriften umfassen

  1. eine Durchführungsverordnung der Kommission, die darlegt, welche Kriterien die benannten Stellen erfüllen müssen, die für die Kontrolle der Medizinproduktehersteller zuständig sind,
  2. eine Empfehlung, in der klargestellt wird, welche Aufgaben diese Stellen bei der Durchführung von Audits und Bewertungen im Medizinproduktebereich zu erfüllen haben, der etwa 10 000 Produktarten von Pflastern bis hin zu Herzschrittmachern umfasst. (zitiert nach der Presseerklärung der Europäischen Kommsission vom 24.09.2013).

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Keine unabhängige Prüfung der Sicherheit

Auch nach der neuen Verordnung der Kommission beauftragen die Hersteller eine sogenannte „Benannte Stellen“ (Notified Bodies) mit der Prüfung ihrer Produkte. Die Benannte Stelle prüft den Antrag des Herstellers auf Vollständigkeit der von ihm eingereichten Unterlagen nach den Vorgaben der EU. Nach Prüfung vergibt die Benannte Stelle das CE-Kennzeichen, mit dem das Produkt europaweit verkauft und eingesetzt werden kann. Solange die Benannten Stellen nach Ausführung des Auftrages vom Auftraggeber bezahlt werden, gibt es keine dringend erforderliche unabhängige Prüfung der Sicherheit eines Medizinprodukts.

Wirtschaftliche Abhängigkeit der Benannten Stellen vom Hersteller bleibt

Benannte Stellen, deren Gutachten nicht im Sinne des Auftraggebers sind, werden von diesem nicht mehr beauftragt. Die Benannten Stellen haben also nach wie vor kein Interesse, dem Auftraggeber die gewünschte CE-Kennzeichnung zu verweigern. Ob die für die Überwachung der Benannten Stellen zuständigen Behörden mit oder ohne Vorankündigung Kontrollen durchführen, wie jetzt als Neuerung gepriesen, ändert am Abhängigkeitsverhältnis der  Benannten Stelle vom Auftraggeber nichts. Hier müssten unabhängige Kontrollinstanzen geschaffen werden, die weder wirtschaftlich noch auf andere Art und Weise von den zu Kontrollierenden abhängig sind.

Fehlerhafte Medizinprodukte gefährden auch künftig Patienten

Die neue Richtlinie der Kommission sorgt somit ganz offensichtlich in Bezug auf die Kontrollen der Benannten Stellen nicht für mehr Patientensicherheit. Sie verhindert nicht, dass fehlerhafte Medizinprodukte auf den Markt gebracht werden. Das Grundproblem bei der Zulassung von Medizinprodukten, das Werner Bartens am 26. Oktober 2012 in seinem Artikel „Gefährliche Implantate werden EU-weit problemlos zugelassen“ in der Süddeutschen Zeitung beschrieb, bleibt bestehen. Bartens berichtete vom erfolgreichen Versuch, die CE-Kennzeichnung für ein offensichtlich fehlerhaftes Hüftprothesenmodell zu erhalten:

„Dabei gab es das Implantat gar nicht und aus den erdichteten Unterlagen ging hervor, dass es giftige Metallionen absonderte und die Hüftpfanne wohl bald brechen würde. Bei 14 Zertifizierungsstellen in fünf Ländern reichten die Reporter die Papiere ein – und bekamen die Bewilligung für Europa. Von Patientenschutz keine Spur.“

Solange die Benannten Stellen außerdem nicht die Produkte selber, sondern nur die Konformität ihrer Herstellung mit EU-Richtlinien nach Aktenlage prüfen dürfen, gibt es hier keinen Schutz von Patienten vor fehlerhaften Medizinprodukten. Die Benannten Stellen müssen abgeschafft werden und durch eine unabhängige Kontrollinstanz ersetzt werden, die NICHT von den Herstellern der Medizinprodukte willkürlich ausgewählt, beauftragt und bezahlt wird. Dagmar Roth-Behrendt (SPD), von der Kommission mit der Begleitung der neuen Verordnung beauftragt, forderte die „Einrichtung einer zentralen Kontrollinstanz. Angesiedelt bei der Europäischen Arzneimittelkommission (EMA) hätte diese die Zulassung der Medizinprodukte verantwortet. Leider konnte sich Dagmar Roth-Behrendt gegen die geballte Macht der Medizinproduktehersteller und ihrer Lobbyisten nicht durchsetzen.

Lobbyarbeit der Hersteller zum Schaden der Patienten erfolgreich

Die Beschwerden der Hersteller landeten (…) bei vielen Abgeordneten im EU-Parlament, etwa über Volker Kauder, den Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag. Dessen Wahlkreis ist Tuttlingen in Baden_Württemberg. In der Region sitzen Hunderte Medizinprodukte-Hersteller. Kauder sprach sich auf einem Kongress gegen die zentrale Zulassung aus. Er kontaktierte deshalb auch seinen Parteifreund Liese in Brüssel. Durch die neuen Bestimmungen „wird die Patientensicherheit in Europa substantiell verbessert, ohne aber unnötige Bürokratie für die betroffenen Unternehmen zu schaffen“, sagte Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion laut Der Spiegel.

Wer wie Liese glaubt, dass „die Patientensicherheit substanziell verbessert wird“, hält Tebatz van Elst für einen Sparfuchs und die Medizinproduktehersteller für gemeinnützige Wohltätigkeitsvereine.

Weitere Informationen:
Medizinprodukte Europäische Kommission: hier klicken
Official Journal of the European Union vom 25.09.2013: hier klicken

Beginn MDR erneut verschoben

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