Patienten klagen gegen Hersteller

Nach der Operation beginnen die Probleme. Der Arzt hat einen Fehler (Kunstfehler) gemacht. Oder Patienten haben ein fehlerhaftes Medizinprodukt implantiert bekommen. Anstatt weniger Schmerzen nehmen die Schmerzen zu. Das Implantat funktioniert nicht. Es verursacht gesundheitliche Schäden. Unter den Folgen eines ärztlichen Kunstfehlers oder eines fehlerhaften Medizinprodukts leiden mehr Menschen als allgemein bekannt. Denn die Dunkelziffer scheint hoch zu sein.

1. Die Ausgangslage – Warum eine Klage so schwierig ist

Wenn ein implantiertes Medizinprodukt – wie die Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese der Firma Zimmer – schwere gesundheitliche Schäden verursacht, denken viele Betroffene über rechtliche Schritte nach. Doch der Weg vor Gericht ist in Deutschland mit hohen Hürden verbunden:

  • Die Patientin oder der Patient steht allein einem mächtigen Hersteller gegenüber – oft ein internationaler Großkonzern mit viel Geld, spezialisierten Rechtsanwälten und umfassender Organisation.
  • Gleichzeitig leidet man oft selbst noch unter den gesundheitlichen Folgen und kann sich nicht voll auf den Rechtsstreit konzentrieren.
⚖️ 2. Beweislast liegt beim Patienten – Forderung nach Umkehr

In Deutschland gilt: Die beweisführende Pflicht liegt beim Geschädigten. Betroffene müssen dem Gericht überzeugend nachweisen:

  1. a) dass das Produkt fehlerhaft ist,
    b) dass dieser Fehler die gesundheitlichen Schäden verursacht hat,
    c) dass ein klarer ursächlicher Zusammenhang (Kausalität) zwischen Produktfehler und Schaden besteht.

Kritik: Viele Patient:innen und Jurist:innen fordern hier eine Beweislastumkehr, wie sie in anderen europäischen Ländern bereits möglich ist. Das würde die rechtliche Lage für Betroffene spürbar verbessern.

3. Schwierige Beweisführung – kaum Zugang zu Herstellerunterlagen
  • Der Patient hat kaum Rechte, wichtige technische Unterlagen einzusehen, z. B. die bei der Benannten Stelle (Zertifizierungsstelle für das CE-Zeichen) eingereichten Test- oder Prüfberichte.
  • Hersteller geben diese Daten selten heraus. Auch interne Testunterlagen, Entwicklungsberichte oder Risikobewertungen bleiben unter Verschluss.

Beispiel: Durom-Metasul-LDH-Prothese

Im Fall der fehlerhaften Hüftprothese von Zimmer (verwendet bis ca. 2008) wurde bekannt, dass:

  • Der Hersteller deutsche Gutachter zu internen Veranstaltungen eingeladen hat – was Zweifel an deren Unabhängigkeit weckt.
  • In einem Prozess ließ das Landgericht Freiburg keine englischsprachigen Gutachter zu, obwohl diese international erfahrener gewesen wären. Begründung: Übersetzungen würden das Verfahren verzögern – obwohl das Verfahren mehr als zehn Jahre
4. Keine Sammelklagen möglich – jeder muss selbst klagen

In Deutschland gibt es keine Möglichkeit der Sammelklage wie in den USA oder den Niederlanden.

  • Jede betroffene Person muss selbst eine Klage einreichen und für Kosten, Gutachten und Anwaltsgebühren aufkommen.
  • Eine Selbsthilfegruppe oder ein Verein können bei der Orientierung unterstützen, aber keine rechtliche Vertretung übernehmen.
5. Achtung Verjährung – Fristen prüfen!

Nach dem Produkthaftungsgesetz (§12) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§195 BGB) gilt:

  • Die Verjährung beträgt drei Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem man von dem Schaden Kenntnis hatte oder hätte haben können.

️ Beispiel: Wenn Sie 2021 erfahren haben, dass Ihr Implantat fehlerhaft sein könnte, läuft die Frist bis Ende 2024.

  • Unklar ist jedoch, wann die „Kenntnis“ rechtlich beginnt.
    Reicht z. B. eine Einladung zur Nachuntersuchung durch das Krankenhaus aus? Oder muss die Fehlerhaftigkeit gerichtlich festgestellt oder vom Hersteller offiziell eingeräumt werden?

Tipp: Eine rechtzeitige juristische Prüfung ist dringend nötig. Sonst ist eine spätere Klage womöglich verjährt und damit aussichtslos.