Wie viel sind Schmerzen wert?

Bei der Bemessung  von Schmerzensgeld vor Gerichten stellt sich regelmäßig die Frage, wie viel die Schmerzen des Patienten in EURO wert sind in Deutschland. Aus Amerika hört man immer wieder, dass Patienten nach einem erfolgreichen Gerichtsverfahren gegen Hersteller von Medizinprodukten Schmerzensgeld viele Millionen zugesprochen bekommen.  Patienten-Millionäre sind in Deutschland bis heute keine bekannt geworden. Deutsche Gerichte orientieren sich an den seit Jahrzehnten nahezu unveränderten Summen, welche die immens gestiegenen Gewinne  und die finanzielle Potenz der Hersteller unberücksichtigt lassen. Beträge von einigen tausend Euro für eine fehlerhafte Hüftprothese beispielsweise zahlen Weltmarktführer wie DePuy oder Zimmer aus der Portokasse. Einen Anreiz, neue Produkte umfassend und aufwändig vor Markteinführung zu testen, stellen sie nicht dar. Die Selbsthilfegruppe Durom-Metasul-LDH-Hüftprothesen fordert deshalb seit Jahren, Patienten in Verfahren gegen Hersteller solche Summen zuzusprechen, die eine abschreckende Wirkung haben.

Bestimmung von Schmerzensgeld

Oft sind Schäden, die Patienten durch Arztfehler oder fehlhafte Medizinprodukte zugefügt werden, individuell und ein Einzelfall. Verallgemeinerungen und Übertragung auf andere Fälle, selbst wenn sie ähnlich gelagert sind, werden von den Gerichten in der Regel nicht gemacht.

Dies sollte bei fehlerhaften Medizinprodukten anders gehandhabt werden. Wenn wie im Fall der Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese der Firma Zimmer gutachterlich festgestellt und durch Gerichtsurteil bestätigt wurde, dass das Produkt fehlerhaft ist und nicht hätte auf den Markt gebracht werden dürfen, sollte allen Patienten, die dieses Prothesenmodell implantiert bekommen haben,  eine Grundsumme als Entschädigung zugesprochen werden. Die Beträge sollen sich dabei an der Wirtschaftskraft des Unternehmens orientieren und mindestens 10% des Jahresumsatzes betragen. Bei Zimmer Biomet wären dies 10% von 5,998 Mrd. US-Dollar, also 59.980.000 Millionen US Dollar also etwa 50.000.000 Millionen Euro aufgeteilt in die Gesamtzahl der betroffenen Patienten. Bisher wurde der Weltmarktführer bei Prothesen beim „Freiburger Hüftprothesenskandal“ zur Zahlung von ein paar Tausend Euro verurteilt, geht jedoch nach wie vor gegen jede Entscheidung der Gerichte in die Berufung und hat so seit 2010 erfolgreich verhindert, auch nur einen Cent bezahlen zu müssen. Inzwischen sind Betroffene verstorben, was den Eindruck erweckt, diese Verzögerungstaktik ist Teil der Verteidigungsstrategie von Zimmer Biomet, durch die „biologische Lösung“ die Patienten leer ausgehen und das Geld lieber den Anwälten zukommen zu lassen.

Schmerzensgeldpraxis in Deutschland

Die wesentliche Grundlage für die Bemessung von Schmerzensgeld soll Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen bilden, wobei die Gericht teilweise auch einer Genugtuungsfunktion Rechnung tragen sollen. Die Gerichte sollten zudem die Gesamtumstände berücksichtigen und ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schädigers zu den Gesundheitsschädigungen geführt haben. Um es sich einfacher zu machen, greifen die Gerichte auf Schmerzensgeldtabellen wie die von Hacks/Wellner/Häcker oder DAWR (Deutsches Anwaltsregister) zurück, die Beträge aus Urteilen deutscher Gerichte übernehmen und auflisten. Problem bei diesen Tabellen ist, dass sie auf zum Teil sehr alte Urteile beruhen und weder die Inflation oder allgemeine Kostensteigerungen berücksichtigen. Zum anderen basieren die Tabellen auf Fällen von Körperverletzungen auf Grund von Unfällen oder Arztfehlern und nicht wegen fehlerhafter Medizinprodukte.

Ein grundsätzliches Problem bei der Bemessung von Schmerzensgeld besteht darin, dass das Schmerzempfinden bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Auch durch die Einnahme von Schmerzmittel wird das Schmerzempfinden beeinflusst. Es kann jedoch von Betroffenen nicht erwartet werden, dass sie Schmerzen auf Dauer ertragen nur damit Juristen das dann subjektiv empfunden Schmerzgefühl beziffern können. Ein Richter, der keine Schmerzen hat, kann sicher auch dann nicht nachvollziehen wie sich ein Leben mit ständigen Schmerzen anfühlt und was diese Schmerzen in Euro ausgedrückt wert sind. Dem Patienten müsste da prinzipiell Glauben geschenkt werden, was in der Praxis jedoch eher selten der Fall ist. Im Gegenteil, den Betroffenen wird unterstellt zu simulieren und das Schmerzempfinden zu übertreiben.

Die diskutierte Rechtsprechung zur Berechnung von Schmerzensgeld

Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil vom 18.10.2018 – 22 U 97/16 – zur Berechnung von Schmerzensgeld angemahnt, dass eine bestimmte schematische, vermeintlich auf die taggenaue Dauer der Beeinträchtigung abstellende Berechnungsmethode anzuwenden ist. Das OLG Düsseldorf nahm dazu in seinem Urteil vom 28.03.2019 – 1 U 66/18 – Stellung. Es vertritt die Ansicht, dass die vom OLG Frankfurt favorisierte Methode nicht zu einer Erleichterung bei der Berechnung des Schmerzensgeldes führt. Auch nach dieser Herangehensweise komme es im Ergebnis stets entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an und eine Erleichterung der Berechnung könne so nicht erreicht werden. Auch das OLG Brandenburg lehnt die schematische Bemessung von Schmerzensgeld in seinem Urteil vom 16.04.2019 – 3 U 8/18 – ab: Die Methode berücksichtige insbesondere den Straf- und Sühnecharakter des Schmerzensgeldes nicht und erwachse aus dem Irrglauben, jegliche Art und Intensität körperlicher Einschränkungen sowie Schmerzen objektiviert bemessen zu können. Eine größere Einzelfallgerechtigkeit entstehe so nicht.

Schmerzensgeldtabellen

Weitere Informationen „Schmerzensgeld“

Schmerzensgeld in den USA

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