Informationen über Zulassung, Kontrolle und Fragen des Patientenschutzes

Reaktionen auf die ImplantFiles

Heftige Reaktionen gab es auf die Veröffentlichungen der ImplantFiles, welche große Sicherheitsmängel bei Medizinprodukten aufgedeckt hatten.

Die Dokumentation der Missstände, welche die Recherchegemeinschaft Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR am 26.11.2018 veröffentlicht hatte, schlug hohe Wellen. Die Nachforschungen machten deutlich, dass das bisherige Zulassungssystem von Medizinprodukten in Deutschland und Europa nicht aufrecht erhalten werden darf. Denn es bietet keine Gewähr, dass die zugelassenen Produkte auch sicher sind für die Patienten. Wie Haushaltsgeräte und andere Produkte des Alltags, benötigen auch Medizinprodukte nur die CE-Kennzeichnung, damit sie in  Europa verkauft werden dürfen. Die Beispiele, welche die ImplantFiles dokumentierten, zeigen zu welch ungeheuerlichen Exzessen dieses Verfahren führen kann. Ob Patienten dabei zu Schaden kommen oder gar ihr Leben verlieren, scheint niemanden zu interessieren.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit der „Benannten Stellen“ von den Herstellern von Medizinprodukten verhindert eine effektive Kontrolle. Das ist so als ob ein Autobesitzer sein Fahrzeug in eine beliebige Werkstatt in Europa bringen kann, wenn er eine neue TÜV-Plakette braucht. Da die Werkstatt auch die nächste technische Untersuchung durchführen will, hat sie großes Interesse, den Auftraggeber nicht zu enttäuschen.  Wenn sein Fahrzeug nicht wirklich verkehrssicher ist, kostet die Plakette etwas mehr.

Die Ergebnisse der Recherchegemeinschaft bestätigen die seit Jahren von der Selbsthilfegruppe Durom-Metasul-LDH-Hüftprothesen e.V. (SHG) erhobene Forderung nach unabhängigen und  effektiveren Kontrollen für mehr Patientenschutz bei der Zulassung von Medizinprodukten.

Die fehlerhafte Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese der Firma Zimmer Biomet

Die SHG weist jedoch weiterhin darauf hin, dass auch die Überwachung der Medizinprodukte, nachdem sie auf den Markt gebracht wurden, verbessert werden muss. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist zwar zuständig für Untersuchungen und Warnungen, wenn Probleme mit Medizinprodukten bekannt werden, ist aber abhängig davon, dass entsprechende Informationen und Unterlagen auch tatsächlich von Herstellern und/oder Kliniken eingereicht werden. Die „Empfehlung“, die das BfArM dann aussprechen kann, sollte die dann zuständige Landesbehörde zum Handel veranlassen. Geschieht auf Landesebene nichts, hat das BfArM keine Möglichkeit, aus seiner „Empfehlung“ eine „Anweisung“ zu machen. So blieb das bei den fehlerhaften Durom-Hüftprothesen der Firma Zimmer Biomet zuständige Regierungspräsidium Freiburg untätig und verweigerte die Umsetzung der Empfehlung des BfArM, das Produkt vom Markt zu nehmen. Begründet wurde das Nichts-tun damit, dass „eine juristische Auseinandersetzung mit dem Hersteller“ zu befürchten gewesen wäre“. Die Information der mit dem fehlerhaften Prothesenmodell  belieferten Kliniken unterblieb, weil „sich die Probleme inzwischen ja rumgesprochen hätten“.

Neben der Verbesserung der Zulassungsverfahren für Medizinprodukte und ihrer Überwachung nach in Verkehrsbringung bedarf es eines unabhängigen und verpflichtenden Meldesystems der in den Menschen eingebrachten Medizinprodukte. Es kann nicht sein, dass auch das Bundesgesundheitsministerium keine Ahnung hat, welche Medizinprodukte wo mit welchem Erfolg in Deutschland auf dem Markt sind.

Urteil vom 24.02.17 verurteilt Zimmer

In seinem Urteil vom 24.02.2017, Aktenzeichen: 6 O 359/10, gab das Landgericht Freiburg der Klage einer geschädigten Patientin Recht. Die Klägerin hatte gegen den Medizinproduktehersteller Zimmer wegen ihrer fehlerhaften Durom-Prothese geklagt. Nach ausführlicher Prüfung des Sachverhalts kam das LG zu der Einschätzung, dass die 2003 von Zimmer auf den Markt gebrachte Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese fehlerhaft ist und nicht hätte auf den Markt gebracht werden dürfen. In seinem Urteil stellt das Landgericht Freiburg fest, dass

  • die Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese einen Konstruktionsfehler aufweist
  • ein Informationsfehler vorliegt
  • Arztverschulden nicht vorliegt
  • Schadensersatz und Schmerzensgeld zu zahlen ist.

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CE-Zeichen bietet keine Sicherheit

Jedes Medizinprodukt, welches in der EU zugelassen wird, muss von einer Benannten Stelle das CE-Kennzeichen vorweisen. Häufig wird der irreführende Eindruck erweckt, dass mit dem CE-Kennzeichen die Qualität des Produkts festgestellt wird. Dass dies jedoch weder bei Medizinprodukten der niedrigsten Risikoklasse wie Heftpflaster oder Scheren noch bei denen der höchsten Risikoklasse wie Herzschrittmachern oder Prothesen der Fall ist, beweisen die ZDF-Sendung „WISO“ und die Sendung „ODYSSO“ vom SWR.

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Sicheres Zulassungsverfahren gefordert

Das europäische Zulassungsverfahren für Medizinprodukte bietet keine Sicherheit vor fehlerhaften Produkten. Die Benannten Stellen sind in Europa für die Zulassung zuständig. Sie werden vom Hersteller beauftragt und bezahlt und scheuen deshalb die Ablehnung einer beantragten Zulassung. Außerdem prüfen sie nur die vom Hersteller vorgelegten Unterlagen. Effektive Kontrolle von Medizinprodukten zur Sicherheit der Patienten sieht  anders aus.

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Patientensicherheit Thema in Berlin

Vorsitzender und Stellvertreter der Durom-SHG waren am 04.11.2015 zu Gesprächen im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, beim Bundesverband der  AOK sowie bei RA Jörg Heynemann, Fachanwalt für Medizinrecht und Rechtsvertreter vieler betroffener Patienten in Berlin. Im Mittelpunkt aller Gespräche standen das europäische Zulassungsverfahren für  Medizinprodukte, die Gewährleistung der Patientensicherheit nach Markteinführung von Medizinprodukten und die Stärkung Betroffener bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche bei einem fehlerhaften Produkt. Darüber berichtete der Vorsitzende Hanspeter Hauke im Rahmen der Mitgliederversammlung.

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Modulare Metall auf Metall Hüftprothesen: Stand der Wissenschaft und Technik 2003

Eine große Frage, die Sachverständige in diversen Verfahren gegen die Firma Zimmer zu klären versuchen, lautet: Welche Kenntnisse hatte die Firma Zimmer bei Einführung ihrer Durom Metasul LDH Hüftprothese über die Probleme der Metall-auf-Metall Hüftprothesen allgemein und bei der modularen Schaft – Kopf Verbindung im Speziellen.

Die Firma Zimmer und einige Sachverständige behaupten bis heute, dass 2003 keinerlei relevante Literatur über Metallabrieb bei MoM Prothesen und Schaft – Kopf Probleme bekannt war. Das entspricht nicht den Tatsachen. Denn der Hersteller der fehlerhaften Durom-Prothese, die Firma Zimmer,  kannte, oder hätte kennen müssen, die Dissertation über das „Korrosionsverhalten von modularen Verbindungen bei Hüftprothesen“ von Marcus Windeler. Windeler hatte in seiner Arbeit Abriebprobleme bei MoM Prothesen nachgewiesen. Außerdem waren der Firma die Probleme mit der von ihr hergestellten Harris-Galante Hüftprothese seit mindestens 1999 bekannt. Somit hätte sie diese Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Markteinführung der Durom-Metasul-LDH-Hüftprothese 2003 berücksichtigen müssen. Oder zumindest notwendige und mögliche Tests zur Verbesserung der Patientensicherheit durchführen müssen. Beides hat Zimmer zum Schaden von Patienten unterlassen. Weiterlesen..
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Erfahrungen mit Durom-Hüftprothese

Durom in wissenschaftlichen Veröffentlichungen

Auch wenn man den Eindruck hat, dass in den Verfahren Durom Metasul LDH Patienten gegen die Firma Zimmer Stillstand herrscht, gibt es doch immer wieder Untersuchungen, die sich mit der Thematik der Durom Metasul LDH Hüftprothese beschäftigen. Das Debakel mit den nicht eingewachsenen Durom-Pfannen in Amerika (bis auf eine modifizierte Oberflächenbeschichtung identisch mit der in Deutschland implantierten Durom-Prothese) ebenso wie die hohen Versagensquoten beim Durom Oberflächenersatz werden von Zimmer als nicht relevant für das Versagen der im Loretto-Krankenhaus implantierten Prothesen eingestuft. Bei Totalendoprothese und Oberflächenersatz wird die gleiche Pfanne verwendet. Was mit dieser beim Implantieren geschieht/geschehen kann wird in folgendem Artikel beschrieben.

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BHR/McMinn Kappenprothese

Am 3. Juni 2015 verschickte Smith & Nephew dringende Sicherheitsinformationen. Betroffen war das BIRMINGHAM HIP™ Resurfacing (BHR) System, Hersteller: Smith & Nephew Orthopaedics Ltd., Leamington Spa, Großbritannien. In einer Zusammenfassung der Gründe für die Sicherheitswarnung schreibt das Unternehmen:

  • Für Patienten weiblichen Geschlechts sollte das BHR-System künftig kontraindiziert sein.
  • BHR-Femurkopfkomponenten Ø 46 mm und kleiner und die dazugehörigen Acetabulumpfannen der entsprechenden Größen dürfen nicht länger verwendet werden und sind an Smith & Nephew zurückzusenden.
  • Für Patienten, die eine Femurkopfkomponente Ø 48 mm benötigen, besteht ein leicht erhöhtes Revisionsrisiko. Daher sollten diese Patienten nicht als Kandidaten für einen BHR-Oberflächenersatz infrage kommen.
  • Die Femurkopfkomponenten Ø 48 mm sollten ausschließlich in spezifischen Ausnahmesituationen implantiert werden, nämlich wenn bei der präoperativen Planung ein Kopfdurchmesser von 50 mm ermittelt wurde, die Messung während der Operation jedoch 48 mm ergibt, sodass intraoperativ auf eine kleinere Komponente umgestellt werden muss.

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Klage gegen DePuy Geschäftsführer

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat Anklage gegen den Geschäftsführer von DePuy erhoben. Ihm wird vorgeworfen, „gesundheitsgefährdende Medizinprodukte“ in Verkehr gebracht und die Aufforderung, das Produkt vom Markt zu nehmen, ignoriert zu haben. Im Raum stehen ferner Anschuldigungen, dass trotz Bekanntwerden der hohen Versagensraten der ASR Hüftprothese, diese weiter vertrieben und weiterhin in Patienten implantiert worden sei. Mit Spannung wird (Stand: Juni 2015) die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken (Az. 11 Js 950/11) erwartet, ob sie das eingeleitete Strafverfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer eröffnet.

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Vor einer Hüft-TEP Operation

Nach zahlreichen Skandalen mit Medizinprodukten herrscht Unsicherheit bei Menschen, denen ein Operation bevorsteht. Die Durom-Selbsthilfegruppe (Durom-SHG) hat Informationen für Menschen zusammengestellt, die vor einer Hüft-TEP-Operation stehen.

Wann sollte operiert werden?

Wenn die Hüfte immer mehr schmerzt, die Beweglichkeit zunehmend eingeschränkt ist und das Laufen nur noch mit Mühe möglich ist, raten Ärzte in der Regel zu einer Hüft-TEP-Operation. Doch angesichts von mehr als 250.000 solcher Operationen jedes Jahr in Deutschland, ist Skepsis angesagt. Durch konservative Behandlungen wie Physiotherapie, Gymnastik und gesunde Ernährung kann ein OP-Termin oft mehrere Jahre hinaus geschoben werden. Und je später eine Hüft-TEP durchgeführt wird, um so besser für den Patienten.

Was passiert bei einer Hüft-TEP-OP?

Bei dieser wird die schadhafte und Schmerzen verursachende Hüfte ersetzt durch eine künstliche Hüfte aus Keramik, Metall, Porzellan  oder eine Kombination der genannten. Bei einer Hüft-TEP, also eine Hüft-Totalendoprothesenoperation,  wird der Kopf des Oberschenkelhalsknochens abgeschnitten. In die Öffnung wird ein Schaft eingetrieben und mit dem Knochen verkeilt (pressfit). Bei einer Metall-auf-Metall-Prothese (MoM) besteht der Schaft in der Regel aus einer Chrom-Kobalt-Titanlegierung.

Zementiert oder nicht zementiert?

Bei zementfreien Hüft-TEPs wird der künstliche Schaft so weit mit Hammerschlägen in den Oberschenkelhalsknochen eingetrieben, bis er fest verkantet ist. Oben am Schaftende schaut ein Konus aus dem Oberschenkelhalsknochen heraus, auf welchen dann der Kugelkopf aufgesetzt wird. Das Gegenstück zum Kugelkopf, die Pfanne, wird im Becken eingepasst. Dazu wird der Beckenknochen ausgelasert bis die Kugel eingepasst werden kann. Zwischen Kugelkopf und Schaft wird bei einigen Modellen ein Zwischenstück eingesetzt, ein sogenannter Adapterkonus, der in unterschiedlichen Längen zur Verfügung steht. Dieser dient zum Ausgleich der Beinlänge und soll sicher stellen, dass auch nach der Hüft-TEP beide Beine gleich lang sind.

Ist das Knochenmaterial des Oberschenkelknochens zu porös, muss der Schaft in den Oberschenkelhalsknochen einzementiert werden. Danach ist ein Wechsel der Prothese wesentlich erschwert. Vorzuziehen ist bei einer Erst-Hüft-TEP deshalb stets die unzementierte Variante, wenn dies möglich ist.

Die Hüft-TEP-Operation im Trickfilm erklärt: Hier klicken
Eine genaue Beschreibung der Hüfte und ihrer Teile sowie weitergehende Informationen erhalten Sie, wenn Sie hier klicken.

Fragen an den Operateur vor einer OP
Um das Risiko einer fehlerhaften oder falschen Prothese gering zu halten, sollten vor der Operation mit dem Operateur folgende Fragen geklärt werden:
  • Welches Prothesenmodell von welchem Hersteller soll implantiert werden?
  • Aus welchem Material ist die Prothese?
  • Wie lange ist das Prothesenmodell bereits auf dem Markt?
  • Wie hoch ist die aktuelle Versagensquote bei diesem Modell?
  • Wie lange ist die durchschnittliche Standzeit des Modells im Körper?
  • Besteht bei Ihnen eine Materialallergie bzw. eine Allergie gegen das Material der Prothese?
  • bei Neuentwicklungen („Innovationen“) nach klinischen Tests fragen.
  • Tests und Funktionsprüfungen kritisch hinterfragen
  • eher auf bewährte Modelle vertrauen, keine Experimente!
  • Wie oft hat ihr Operateur das vorgeschlagene Modell bereits implantiert?
  • Wie viele Re-Operationen hat der Operateur bisher bei dem vorgeschlagenen Modell durchgeführt?
  • Welche Operationstechnik wird angewandt?
  • Wie sieht es mit der Sterilität im OP aus?
Zweit- und/oder Drittmeinung einholen

Die Erfahrung zeigt, dass es wichtig ist, sich nicht auf die Aussagen und Empfehlungen eines Arztes oder Krankenhauses zu verlassen. Ärzte und Krankenhäuser empfehlen grundsätzlich die Methode, die sie routinemäßig anwenden. Auf die individuelle Befindlichkeit oder die körperlichen Voraussetzungen wird in der Regel nicht eingegangen. Deshalb sollte solange gesucht werden, bis man das Gefühl hat: „Jetzt passt es!“