Skandalöse Zulassungspraxis

Nekrotisches Gewebe, zerstörte Knochen: Folge der fehlerhaften Durom-Hüftprothese

Nekrotisches Gewebe, zerstörte Knochen, Schmerzen: Folge der fehlerhaften Durom-Hüftprothese

Die Zulassungspraxis für Medizinprodukte führt immer wieder dazu, dass fehlerhafte Medizinprodukte in Deutschland und Europa auf den Markt kommen. Die Hersteller sind ermächtigt, sich das CE-Zeichen aus dem Internet herunterzuladen und auf ihren Produkten aufzubringen. Dies darf zwar nur nach Einhaltung der EU-Richtlinien und Zulassungsbestimmungen erfolgen, doch kontrolliert wird das von niemandem. Bei Hochrisikoprodukten wie Prothesen, Herzschrittmachern oder Brustimplantaten kann das verheerende Folgen für Patientinnen und Patienten haben. Daran ändert auch die neue „Medical Device Directive“ nichts. Wie die bisherige Medical Device (MD) setzt auch die neue MDR auf die Eigenverantwortung der Hersteller. Eine unabhängige Kontrolle der Produkte findet auch mit der MDR nicht wirklich statt. „Dies muss dringend geändert werden“, fordern Experten wie der Fachanwalt für Medizinrecht Jörg Heynemann.

CE-Zeichen

Produkte, die in Europa auf den Markt gebracht werden sollen, brauchen ein CE-Kennzeichen. Mit der Anbringung des CE-Zeichens verpflichtet sich der Hersteller, dass er alle Vorgaben, Richtlinien und grundlegenden Anforderungen an sein Produkt beachtet und eingehalten hat. Bei Hochrisikoprodukten müssen die Hersteller eine sogenannte „Benannte Stelle“ mit dem Konformitätsverfahren beauftragen. Diese kann der Hersteller in ganz Europa frei wählen. Die Benannte Stelle prüft die vom Hersteller eingereichten Unterlagen auf Vollständigkeit. Eine Sicherheitsüberprüfung findet nicht statt. So kommt es, dass Medizinprodukte die Marktzulassung erhalten, obwohl sie fehlerhaft und für Patienten gefährlich sind.

Abhängigkeit der Benannten Stellen

Der Hersteller beauftragt und bezahlt eine Benannte Stelle in Europa mit der Durchführung des Konformitätsverfahrens für sein Medizinprodukt. Die Benannte Stelle prüft die Unterlagen, die sie vom Hersteller zur Verfügung gestellt bekommt. Kritische Nachfragen sind selten, denn zu penetrantes Nachhaken könnte den Auftraggeber verärgern. Künftige Aufträge, von denen die Benannte wirtschaftlich abhängig ist, könnten dann ausbleiben. Benannte Stelle und Hersteller haben ein gemeinsames Interesse, das Konformitätsverfahren so unaufwändig und problemlos wie möglich zu gestalten. Unabhängige Kontrolle gibt es nicht. Damit wird wissentlich in Kauf genommen, dass fehlerhafte Produkte auf den Markt kommen und Patienten schädigen. Die Liste der Skandale ist lang. Es steht zu befürchten, dass sie immer länger wird.

Jeder Schrott wird zugelassen

Die Folge fehlender Sicherheitsstandards und Kontrollen sind sich häufende Skandale wegen gefährlicher Medizinprodukte. BIP Brustimplantate, giftige Hüftprothesen, versagende Herzschrittmacher zeugen von der Unfähigkeit oder dem Desinteresse der Entscheidungsträger, Patienten vor fehlerhaften Medizinprodukten zu schützen. Im Vordergrund stehen die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller und nicht die Sicherheit der Patienten. Zugelassen wird nachweislich jeder Schrott: vom Mandarinennetz aus dem Supermarkt bis zu Hüftprothesen aus Schrottbeständen.

Strengere Kontrollen gefordert

Seit Jahren fordert die Durom-SHG strengere Kontrollen bei der Zulassung von Medizinprodukten. Was für Medikamente möglich ist, muss auch für Medizinprodukte gelten. 2019 hat Bundesgesundheitsminister Spahn angekündigt, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mehr Kompetenzen zu geben. Das BfArM soll künftig fehlerhafte Prothesen vom Markt nehmen können, da die eigentlich zuständigen Landesbehörden oft nicht auf „Empfehlungen“ des BfArM reagieren. Doch auch in der Vergangenheit haben Gesundheitsminister Verbesserungen versprochen. Die Versprechen gehalten hat bisher niemand.

Problem existiert seit den 1990-Jahren

Bereits in den 90-Jahren gab es gravierende Probleme mit Herschrittmachern, die in Patienten nicht funktionierten, weil sie nicht auseichend geprüft worden waren. Schrott-Produkte kommen seit Jahrzehnten auf den Markt und somit in Patienten. Doch die Politik kuscht vor der Lobby der Medzinproduktehersteller. Dass Menschen durch das von Politikern tolerierte, ja manchmal geradzu mit Eifer von ihnen verteidigte Zulassungssystem zu Tode kommen oder lebenslang in ihrer Gesundheit geschädigt werden, muss offensichtlich vor wirtschaftlichen Interessen zurück stehen.

Florian Lanz, Pressesprecher vom GKV-Spitzenverband sagte dazu am 16. November 2018 im Deutschlandfunk:

… das, was wir hier in Deutschland erleben, ist eigentlich unglaublich. Wir leben in einem Land mit so vielen Regeln, mit so vielen Zulassungen und Prüfungen und kaum jemand käme auf die Idee, dass es für Herzschrittmacher, für künstliche Hüftgelenke gar keine richtige Kontrolle gibt. Und das Thema ist ja schon alt. Wenn man sich überlegt: Mitte der 90er-Jahre hatten wir den Skandal mit künstlichen Herzklappen. Dinge, Materialien, die in den menschlichen Körper eingepflanzt werden, begleiten uns seit vielen, vielen Jahren, und zwar leider häufig mit einem Beigeschmack von Skandal.

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